Israel ist besorgt, dass die USA unter der Führung des designierten US-Präsidenten Joe Biden erneut dem Iran-Atomabkommen beitreten könnten. Die USA waren 2018 unter dem amtierenden Präsidenten Donald Trump aus dem 2015 vereinbarten internationalen Abkommen ausgestiegen. Amos Hochstein, ehemaliger Berater Bidens, erklärte in einem Interview mit dem israelischen Fernsehsender Channel 12, er gehe davon aus, dass der erneute Beitritt bereits in den ersten Monaten von Bidens Präsidentschaft erfolgen werde. Er erwarte jedoch, dass Biden „einige Veränderungen“ zur Bedingung machen werde, einschließlich der Verlängerung der zeitlichen Frist des Abkommens. Daniel Kurtzer, ehemaliger US-Botschafter in Israel, äußerte sich ähnlich. Er ist außerdem der Ansicht, dass Biden sich zuvor mit Israel absprechen wird. Israels Energieminister Juval Steinitz rief zu einem „Dialog“ mit der neuen US-Regierung auf, um sicherzustellen, dass das iranische Atomprogramm nicht „eingefroren“ sondern „demontiert“ werde. Auch Michael Oren, der 2009-2013 als Botschafter Israels in Washington diente, sagte, es sei „sehr wichtig für uns, mit dem designierten Präsidenten und seinem Team umgehend Israels Erwartungen und Interessen zu besprechen.“ Oren bezeichnete Biden als „pro-Israel“. Dennoch müsse Israel sich darauf vorbereiten, dass die neue Regierung eine andere Politik als Trump verfolge, insbesondere im Hinblick auf den Iran und den Konflikt mit den Palästinensern. Letzterer stehe jedoch „nicht oben auf der Agenda, sagte Oren. Neben der Corona-Krise, der Wirtschaft und der gesellschaftlichen Spaltung in den USA werden für Biden die Beziehungen der USA mit China und Russland Priorität haben, meinte er.
Foto: State Department, Treffen US-amerikanischer und iranischer Diplomaten, Januar 2016
Israelische Medien berichteten außerdem, die Regierung von US-Präsident Donald Trump plane – in Absprache mit Israel und den arabischen Golfstaaten – bis zur Vereidigung Bidens am 20. Januar 2021 eine Reihe schwerer Sanktionen gegen den Iran zu verhängen. Diese sollen sich insbesondere gegen das iranische Raketenprogramm, seine Unterstützung von Terrororganisationen und die Verletzung von Menschenrechten richten. Damit will man der neuen US-Regierung die Rückkehr zum Atomabkommen erschweren. „Ziel der Trump-Regierung ist es, Sanktionen zu verhängen, die Biden nicht aufheben kann“, erklärte ein anonymer Beamter eines arabischen Staates.
Netanjahu, Rivlin gratulieren Biden, danken Trump
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat am Sonntag dem designierten US-Präsidenten Joe Biden zu seinem Wahlsieg gratuliert. Netanjahu nannte Biden einen „großen Freund Israels”. Er freue sich darauf, das „besondere Bündnis zwischen den USA und Israel“ weiter zu vertiefen. Netanjahu dankte auch dem amtierenden US-Präsidenten Donald Trump für seine „Freundschaft mit Israel und mir persönlich”, für die „Anerkennung Jerusalems und der Golanhöhen“ und seine Politik gegenüber dem Iran. Trump habe die Beziehungen zwischen Israel und den USA zu „beispiellosen Höhen” geführt, sagte Netanjahu. Auch Staatspräsident Reuven Rivlin gratulierte Biden und lud ihn ein, Jerusalem zu besuchen. „Als langjähriger Freund Israels werden Sie nun Führer der freien Welt und von Israels engstem und wichtigstem Verbündeten sein“, sagte Rivlin. Auch er dankte Trump für „vier Jahre der Partnerschaft, in der Israels Sicherheit gestärkt wurde“ und dem „amerikanischen Volk für seine Unterstützung und Freundschaft. Gott segne Amerika“, sagte Rivlin.
Äthiopien: Drohender Bürgerkrieg, Gefechte nahe Gondar
Bei dem sich zuspitzenden Konflikt in der Region Tigray im Norden Äthiopiens ist es in den vergangenen Tagen auch zu Gefechten nahe der Stadt Gondar gekommen. In Gondar, das in der benachbarten Region Amhara liegt, warten tausende äthiopische Juden in Transitlagern auf ihre Alijah (Einwanderung nach Israel). Berichten zufolge fanden die Kampfhandlungen ca. 70 Kilometer entfernt statt. In Äthiopien droht ein Bürgerkrieg, nachdem vergangene Woche die seit 2019 bestehenden politischen Spannungen zwischen der äthiopischen Zentralregierung und der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) eskaliert waren. Am 4. November schaltete die Regierung in Addis Abeba die Stromversorgung und die Telefon- und Internetdienste in Tigray ab. Kurz darauf bombardierte die äthiopische Luftwaffe Stellungen der TPLF, die in Tigray die Regionalregierung stellt. Dabei seien „Raketen und schwere Waffen vollkommen zerstört“ worden, erklärte Äthiopiens Premierminister Abiy Ahmed. Medienberichten zufolge hat es bei Gefechten zwischen der äthiopischen Armee und den gut gerüsteten Milizen der TPLF, die über rund 250.000 Soldaten verfügen, bereits hunderte Tote gegeben. Beobachter befürchten, dass der Konflikt sich auch auf andere Regionen Äthiopiens ausdehnen könnte.
Gebetsanliegen: Bitte beten Sie mit uns um eine rasche Beilegung des Konflikts zwischen der Zentral- und der Regionalregierung und um Schutz für die Bevölkerung. Beten wir auch um besonderen Schutz für die äthiopischen Juden, die seit vielen Jahren in Transitlagern in Gondar und Addis Abeba auf ihre Einwanderung nach Israel warten. Beten wir, dass ihre Alijah sich beschleunigt und sie wohlbehalten nach Israel kommen können.
Israel hat vergangene Woche 462 äthiopischen Juden die Einreiseerlaubnis erteilt. Die Jewish Agency erwartet, dass sie bereits Anfang Dezember nach Israel geflogen werden können und hat die ICEJ gebeten, die Flugkosten zu übernehmen. Ab Dezember sollen insgesamt 2.000 äthiopische Juden nach Israel einwandern.
Bitte helfen Sie uns, die Alijah äthiopischer Juden weiterhin zu unterstützen. Als Verwendungszweck bitte „Alijah & Integration“ angeben, herzlichen Dank!
Gedenken an Reichspogromnacht
In vielen Städten Deutschlands ist am Montag der Opfer der Reichspogromnacht 1938 gedacht worden. Joliene Stephan, die mit ihrem Mann Christian Stephan von 1982 bis 2001 die Leitung des Deutschen Zweigs der ICEJ übernommen hatte, legte im Namen der ICEJ-Deutschland einen Kranz vor der Synagoge in Michelstadt (Hessen) nieder. Beim anschließenden Gedenkmarsch legten die Teilnehmer der Gedenkfeier, darunter Stephan Kelbert, Bürgermeister von Michelstadt, und Roman Melamed, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Fulda, Rosen auf die in der Stadt verlegten „Stolpersteine“. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 war es in Deutschland und Österreich zu gewaltsamen, von den Nationalsozialisten organisierten Ausschreitungen gegen Juden und jüdische Einrichtungen gekommen. Hunderte Juden wurden ermordet, rund 1400 Synagogen und jüdische Gebetsräume in Brand gesetzt, tausende Wohnungen und Geschäfte zerstört. Am 10. November wurden etwa 30.000 Juden verhaftet und anschließend in Konzentrationslager deportiert. Viele Historiker sehen in der Reichspogromnacht den Beginn des Holocausts, in dem sechs Millionen Juden ermordet wurden.
Niederlande: Protestanten mitschuldig an Judenverfolgung
Die Protestantische Kirche der Niederlande (PKN) trägt eine Mitschuld an der Judenverfolgung während der Besatzung durch Nazi-Deutschland. Das sagte René de Reuver, Vorsitzender der PKN, während einer Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht 1938 am Sonntag in Amsterdam. Er bat die jüdische Gemeinde um Vergebung. Die Kirche habe „mit den Nährboden bereitet“, in dem „Antisemitismus und Hass gedeihen“ konnten. „Über Jahrhunderte hinweg wurde eine Kluft aufrechterhalten, die später Juden soweit isolierte, dass man sie wegbringen und ermorden konnte“, sagte de Reuver. Außerdem habe die Kirche während der deutschen Besatzung zu wenig getan, um den verfolgten Juden zu helfen. „Antisemitismus ist eine Sünde gegen Gott und gegen Menschen. Die protestantische Kirche ist auch ein Teil dieser sündigen Geschichte.“ Die Kirche erkenne außerdem an, dass das Schuldbekenntnis sehr spät komme. „Wir hoffen, es ist nicht zu spät”, sagte er. Die PKN werde sich nun dafür einsetzen, dass aus den jüdisch-christlichen Beziehungen „tiefe Freundschaften“ entstünden und werde gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde „den modernen Antisemitismus bekämpfen“, sagte der PKN-Vorsitzende.
Quelle: ICEJ-Nachrichten Deutschland, vom 10. Nov 2020